BMW G 650 Xchallenge - Offroad-Spaßgerät



Fahrbericht BMW G 650 Xchallenge

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, Gitte Schöllhorn



Es ist schön, die Testsaison gleich mit einem Spaßhighlight zu eröffnen, dem Wetter sei Dank bei idealen Testbedingungen. Ich kann knapp 2 Tage die BMW Xchallenge zu Testzwecken von BMW Baptist in Lauingen bekommen. Dort stehen sie alle drei zu Probefahrten bereit. Drei? Wieso drei?
Nun, BMW hat sich für das Modelljahr 2007 etwas Besonderes einfallen lassen. Man bediente sich des seit 1995 verbauten Rotax-Einzylinders mit 650 ccm, verbaute darum ein komplett modifiziertes Chassis und sparte sich gewichtsmäßig herunter auf bis zu 159 kg fahrfertiges Gewicht. Das klingt radikal. Ist es auch. Heraus kamen drei Varianten der Modellreihe G 650: die Xmoto, Xcountry und die hier zu testende Xchallenge – drei Spaßmotorräder mit spezialisiertem Einsatzbereich.

Ich war bereits zur Wheelies-Messe in Schwäbisch Hall angetan von diesen absolut BMW-untypischen Maschinen. Man sucht vergeblich nach Heizgriffen, Koffern oder einem komfortablen Windschutz, obwohl Heizgriffe und ABS optional erhältlich sind.

Ich habe mir für meine immer wieder auftauchenden Matsch- und Schlammambitionen die Xchallenge „herausgesucht“. Vor allem interessiert mich, wie das mir aus der BMW HP2 bekannte Luftfederbein in dem Leichtgewicht seinen Dienst verrichtet.

Gründonnerstagabend. Ich werde von Diana Baptist und ihrem Mann Wolfgang mit Grinsen im Gesicht empfangen. Begeistert erzählen Sie mir von ihren Offroadtrips in Portugal bei der Händlervorstellung der Xchallenge. Sie zeigen mir Fotos der Teilnehmer und eine Wasserdurchfahrt mit einer breit grinsenden Diana.

Ich bin gespannt. Schnell die Einweisung, dann das Luftfederbein auf mein Kampfgewicht angepasst, dann Rucksack mit Fotoausrüstung auf den Rücken, die 96 cm Sitzhöhe erklimmen – und los geht es.

Ich bewege die BMW im warmen Abendlicht in eine Kiesgrube und schaue mir die Technikdetails beim Foto-Shooting genauer an.

Das Chassis haben die drei G 650 Modelle gemeinsam: eine Stahl-Alukombination, die über dem Motor verschraubt sind. Motorträger und Rahmenheck wurden aus Alurohren verschweißt.
Die Alugussschwinge ist im Gegensatz zur bisherigen 650er Bauweise nicht mehr im Motor, sondern direkt im Rahmen gelagert. So kann der Abstand zwischen Ritzel und Schwingendrehpunkt auf gerade mal 45 mm verringert werden – ein Vorteil, der vor allem den notwendigen Kettendurchhang für die 270 mm Federweg gering halten kann.
Ein Leichtmetall-Gussteil verbindet Rahmenheck, Federbeinaufnahme und die Motorhalterung mit dem Hauptrahmen. So ergibt sich eine Xtrem kompakte Bauweise mit dem Vorteil, dass die Massen sich direkt um den Schwerpunkt sammeln.
Das klingt überzeugend. Die Kompaktheit kann man direkt sehen, wenn man die Xchallenge von der Seite aus betrachtet. Dazu führt eine massive, in Zug- und Druckstufe einstellbare Gabel mit 45 mm Durchmesser das 21“ Vorderrad. Eine zeitgemäße 300 mm Scheibe im Wave-Design sorgt mit einem Doppelkolben-Schwimmsattel von Brembo für Tempovernichtung.
Das 18-zöllige Hinterrad wird über eine Zweiarmschwinge mit direkt angelenktem, zweistufig in der Dämpfung verstellbarem Luftfederbein, dem Air-Damping-System, wie es neudeutsch heißt, auf dem Boden gehalten.

Die Sitzbank wirkt sportlich schmal, ja schon fast knochig, und gibt sich bretthart, was mir schon auf den ersten Metern mein verunfalltes Steißbein zurückmeldet.

Nach dem Shooting der Maschine lasse ich die Xchallenge gleich kurz durch weichen Sand und Kies wühlen. Allerdings bin ich noch nicht richtig angezogen, so dass ich mir bei der ersten Wasserdurchfahrt nasse Füße hole. Ich sehe ein, dass ich zuerst meine Kleidung anpassen muss und begebe mich auf den Heimweg – na ja, nicht direkt, da mir noch einige nette Wege in den Sinn kommen, um die Hinterradtraktion auf Schotter und Gras zu probieren.
Mich begeistert das spürbar geringe Gewicht. Die Maschine ist sauber ausbalanciert und lässt sich offroad wunderbar bewegen. Nach kurzer Gewöhnungsphase stehe ich auf der Xchallenge und lenke sie auf einen schotterigen Weg, der sehr übersichtlich schnurgerade seine Linie durch die Landschaft zieht. Ein paar Wege kreuzen im rechten Winkel und bilden kleine Hubbel, die bei 50 km/h kaum spürbar sind. Ich ziehe das Gas auf. 3. Gang. Die BMW zieht über das gesamte Drehzahlband spontan und willig und dreht bis an den Begrenzer. Der kaum modifizierte 650er Rotax-Single zeigt sich bei dem geringen Gewicht der Xchallenge richtig arbeitsgeil und schiebt die Maschine kraftvoll vorwärts. 4. Gang. Ich hänge am Gas und lasse die BMW laufen. Die kleinen Wegkreuzungen mutieren ab 100km/h zu kleinen Schanzen. Tacho 120. Schotter, leichter Sand, zwischendurch immer Grasflecken. Das Hinterrad scheint am Boden zu kleben. Meine vorgegebene Linie ist Gesetz. Die Xchallenge gehorcht bedingungslos. Kleine Sprünge – kein Problem. Genial, wie die Maschine dank ihrer 270 mm Federweg an beiden Rädern harte Stöße sauber filtert.
Ich komme auf ein vollkommen mit Gras bewachsenes Wegstück, das in einer T-Kreuzung mündet. Bremsen ist angesagt. Schnelles Bremsen. Sauber lassen sich beide Bremsen dosieren. Die Metzler Enduro 3 bieten gute Traktion und verhindern auch auf leicht feuchtem Gras zu schnelles Blockieren bei der Tempovernichtung, denn viel Platz für diese überraschend notwendige Bremsung aus immer noch gut 100 km/h habe ich nicht.

Ich fahre nach Hause, lasse den Ritt über den Weg Revue passieren. Ich muss dazu sagen, dass ich wahrscheinlich noch nicht ganz zur angepeilten Zielgruppe dieser Maschine gehöre. Schließlich ist sie für mehr tauglich als für Feldwegpassagen. Ich sehe mich jedoch eher in der Rolle eines engagierten Reifenquälers auf Asphalt mit geringen Offroad-Kenntnissen und -Fähigkeiten.
Ihre Kompromisslosigkeit lässt die Xchallenge antreten in der Klasse einer LC4 aus Meitighofen, also in der Klasse der Bikes für ambitionierte Crossamateure. Dass ich mit der Xchallenge so gut zurechtkomme, zeigt, dass sie trotz ihrer Geradlinigkeit einer breiten Schicht an Fahrern mit unterschiedlichen Fähigkeiten Spaß bieten kann, vorausgesetzt, sie kommen mit der luftigen Sitzhöhe von 96 cm klar.

Nächster Tag. Gitte und ich sind für das Shooting der Fahrfotos verabredet. Ich fahre mich warm, probiere die Xchallenge auf unterschiedlichstem Untergrund. Für Trialpassagen brauche ich zu oft die Kupplung, was ich als störend empfinde. Der erste Gang könnte etwas kürzer übersetzt sein. Das macht jedoch der Eintopf schnell wieder wett, wenn ich praktisch aus dem Stand angase. Die Gewichtsverteilung der Maschine fördert das spontane Heben des Vorderrades. Jedoch sollten ca. 2000 U/min anliegen, denn darunter reißt er unwillig an der Kette. Alles über dieser Drehzahl ist ein Gedicht. Hier begeistert der 650er Rotax mit spontaner Kraftentfaltung, sofortigem Antritt, kräftigem Vorschub und regelrechter Drehzahlgeilheit, so dass ich immer das Gefühl habe, den gewünschten Antritt beim noch so kleinen Gashebeldreh zu ernten. Respekt!

Die BMW macht es mir leicht, dass ich mich schnell an Drifts im lockeren Sand oder im tiefen Kies heranwage. Wenn ich es möchte, beginnt sie in Schräglage sanft, aber direkt mit dem Vorschieben des Hinterrades. Das schafft schnell Vertrauen. Und das war es, was mich bei der HP2 störte. Da hatte ich das Gefühl, dass sie zuerst über das Vorderrad, dann erst über das Hinterrad schieben wollte. Vielleicht war es auch ein „Bedienungsfehler“ meinerseits. Doch kann die Xchallenge diese Übung trotz meines Bedienungsfehlers für mich besser lösen. Kein Umweg. Direkter Drift. 2. Gang, Schräglage, Fuß raus und Gaaaass. Endlich kann ich ohne Schnörkel meine Furchen ziehen. Die BMW lässt sich dabei wunderbar dirigieren. Das ist es, was ich suche, wenn ich mit einem Motorrad dieser Gattung unterwegs bin. Einfach nur Spaß, Spaß, Spaß.
Auf tiefem Sand oder tiefem Feinkies brauche ich die 650er lediglich auf Zug halten und meinen Po nach hinten schieben. Die Xchallenge wühlt sich geradlinig durch und lässt sich dabei einfach steuern.

Ich kann gar nicht mehr aufhören. Gitte ist mit dem Einfangen einzelner Situationen beschäftigt, wobei sie so manche Grobstaubpartikel abbekommt. Feinstaub verteilt die BMW mit EURO 3 keinen.
Nach 2 Stunden Toben brauche ich Pause. Ich bin total durchgenässt. Unten von den Wasserdurchfahrten, oben vom Schweiß. Die Maschine und mein Fahreranzug haben inzwischen die Farbe der Kiesgrube angenommen.

Nachmittag. Meine Klamotten sind wieder trocken. Das nächste Paar Stiefel ist geschnürt. Ich möchte ein wenig Bummeln fahren und schlage schnell wieder Feld- und Waldwege (erlaubte natürlich, von denen es hier erstaunlich viele gibt) ein. Auch dazu scheint die G 650 wie geschaffen zu sein. Ihr geringes Leergewicht macht die meisten Aktionen zum Kinderspiel. Ich komme im Wald an eine schmierige Steilauffahrt mit einigen fetten Steinen drin: Anlauf, 2. Gang, Gas auf, Gewicht nach vorne und oben die Maschine sanft über die Kante „gleiten“ lassen. Das Hinterrad wühlt etwas, ich spüre, wie die Steine unter dem Hinterrad die Maschine aus der Richtung bringen wollen. Das Federbein hält jedoch auch in dieser Situation das Rad gut am Boden, sodass ich mit einigen spontanen Gewichtsverlagerungen und entsprechendem Druck auf die richtige Fußraste die Fahrtrichtung erhalten und die Kante oben problemlos erreichen kann.

Auf Asphalt kann die Xchallenge ebenso gut bewegt werden. Die serienmäßigen Enduro 3 haben sich seit Jahren bewährt, wobei sie am Rand gerne zum gutmütigen Wegschmieren neigen. Selbst bei 160 km/h kann man trotz der Endurobereifung noch von Geradeauslauf sprechen. Die Bremsen sind für den Straßeneinsatz ausreichend dimensioniert, auch wenn man vorne schon mal kräftig zupacken muss, um die Fuhre auf kurzem Wege zu verzögern. Die Feindosierung gehört meiner Ansicht nach jedoch in die Oberliga. Dazu tragen sicher die serienmäßigen Stahlflexleitungen bei.

Der Tank ist bei den 650er BMWs im Rahmendreieck untergebracht. 9,5 Liter mit 2 Litern Reserve. Das ist nicht viel. Aber der Rotax-Single scheint dauerhaft auf Diät zu sein. Selbst mit den Kiesgrubeneskapaden nimmt er sich nicht mehr als 6,5 Liter auf 100 km zur Brust, sodass ich nach weit über 100 gefahrenen Kilometern völlig entspannt die nächste Tankstelle ohne aktivierte Tankreserveleuchte erreiche.

Fazit:
Die BMW G 650 Xchallenge sticht mit einer Summe an guten Offroad-Eigenschaften in die Marktsparte von KTM & Co. Ich denke nicht, dass sie als Hardcore-Geländemaschine punkten und ihrer Konkurrenz den Rang ablaufen kann. Ich denke, sie wird die bedienen, die in der inzwischen fast verwaisten Klasse zwischen 600 und 700 ccm ein Motorrad suchen, das ihnen sportlich-engagierten Gelände-Einsatz ermöglicht und dennoch ein gewisses Maß an Alltagstauglichkeit mitbringt. Positiv für mich, dass ich als ungeübter Endurist sofort mit ihr klarkam. Sowohl sitzend als auch stehend bietet die BMW eine exzellente Ergonomie durch die schmale Bauweise. Motor wie auch das 5-Gang-Getriebe funktionieren perfekt. Das Luftfederbein ermöglicht eine geniale Traktion und scheint in der 650er Xchallenge besser aufgehoben zu sein als in der im Vergleich schweren BMW HP 2 Enduro.
Für mich waren die 2 Tage mit diesem Spaßgerät die ideale Eröffnung der Testsaison, auch wenn ich in Unterarm und Schulter noch einige Tage meinen Muskelkater spüren werde. Es wird ja empfohlen, dass man zur Beseitigung des Muskelkaters das Gleiche wieder tun soll …