KTM 990 Supermoto



Super-Spaß-Moto
Fahr(Spaß)bericht KTM 990 Supermoto
Stand: September 2008

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, M. Kätker



Sommer. Sonne. Trockene Straßen. Wenig Verkehr. Ich bin unterwegs nach Ursensollen, um die KTM Supermoto 990 für einen Fahrtest zu holen. Ich bringe die KTM RC 8 und tausche sie ein gegen die Supermoto 990. Für zwei Wochen werde ich nun dieses Spaßgerät über meine Teststrecken jagen können. Die Vorfreude ist groß, schließlich kenne ich zumindest den quirligen V2 mit seinen 120 PS aus der KTM Superduke 990. Und schon mit ihr erlebte ich Moppedhöhepunkte der besonderen Art.

Ich übernehme die 990er SM, schnalle ungeduldig meinen Rucksack auf und verabschiede mich in Richtung Heimat. Kleine operpfälzische Landsträßchen sind genau das richtige Terrain für die Supermoto. Ich fühle mich sofort auf ihr zu Hause. Die aufrechte Sitzposition mit der breiten Lenkerhaltung ermöglicht eine optimale Fahrzeugkontrolle. Die Knie beugen sich touristisch, das Sitzkissen wirkt angenehm sportlich straff geplolstert.

Im Kopf gehe ich kurz die Änderungen durch, die die 990er Supermoto von ihrer Vorgängerin unterscheidet.
In erster Linie geht es um den von 942 auf 999 ccm gesteigerten Hubraum. Bohrung und Hub vergrößerten sich von 100 x 60 mm auf 101 x 62,4 mm. Mit Einspritzung (statt mit Vergaser in der Vorgängerversion) erfüllt die Straßen-LC8 nun auch die Euro-3-Norm. Zudem versteilerte man den Lenkkopfwinkel und versah die neue SuMo mit härteren Gabelfedern.

20 PS stehen mehr zur Verfügung, die sie im Bereich ab ca. 9000 U/min deutlich spürbar ans Hinterrad sendet. Im unteren Drehzahlbereich erscheint mir die „alte“ ähnlich durchzugsstark, subjektiv empfunden sogar etwas saftiger im Futter zu stehen. Im Vergleich verliert die 990er SM in Sachen Lastwechsel. Gingen die Übergänge bei der 950er SM weich vonstatten, hm läßt mich aktuelle SM deutlich die Lastwechsel deutlich spüren. Fast schon zu direkt erfolgt die Gasannae, was das langsame Mitschwimmen im innerörtlichen Verkehr nicht immer angenehm gestaltet. So schalte ich gerne früh hoch, damit die Gasannahme nicht mehr so hart ausfällt. Bis in den 6. Gang ermöglicht mir der V2 ein angenehmes Mitschwimmen, denn das Aggregat lässt niedrige Touren bis zu 2500 U/min ohne massives Meckern zu.

Aber dafür ist die KTM Supermoto 990 sicher nicht gebaut worden. Schließlich überschreiben die Jungs aus Mattighofen ihre Philosophie mit dem Leitsatz „Ready to race“. Nein, die aktuelle SuMo passt in dieses Konzept wie die anderen sportlich ausgelegten Modelle.
Mir gefällt die kraftstrotzende minimalistische Anmutung des Gesamtpaketes. Im beschichteten Rohrrahmen sitzt der schmale Zweizylinder. Die Wespentaille und die schmale Sitzbank erlauben unterschiedlichste „Arbeits“-Sitzhaltungen. Und sie ermöglichen auch Fahrern mit 175 cm Körperhöhe einen sicheren Stand. Eine Sozia wird sich auf kurzen Strecken wohl fühlen mit nicht zu spitzen Kniewinkeln. Ihr Sitzkissen fällt jedoch knapp gepolstert und kurz aus, sodass es schon ein große Liebe sein muss, wenn sie sich eng an den Fahrer geschmiegt langen Touren hingibt und einen schmerzenden Po tolleriert.

Vollgetankt mit nun 19 Litern wiegt die KTM Supermoto 990 lediglich 210 Kilo. In Verbindung mit der Fahrwerksgeometrie, dem kernigen Motor und der sportlich-ergonomischen Sitzposition ideale Voraussetzungen für rassige Landstraßenkilometer.

Es ist Zeit, dass ich meine Teststrecken aufsuche. Der V2 bullert kernig beim Kaltstart los mit leicht erhöhter Kaltlaufdrehzahl. Nach sehr kurzer Warmlaufphase beginne ich, die Supermoto auf Testgeschwindigkeit zu bringen. Und da ist es wieder: dieses unnachahmliche V2-Bullern. Es steigert sich mit wachsendem Leistungsabruf zu einem mächtigen Donnern. Die KTM zeigt linear, wo der Hammer hängt. Im Bereich bis 4000 U/min lässt sie sich schon nicht lange Bitten, das Hinterrad mit Kraft zu versorgen. Darüber wird sie richtig stark und erfordert einen kräftigen Griff am Lenker. Ab 7500 U/min steht der 75°-Zweizylinder offensichtlich in direktem Kontakt mit der Göttin der Beschleunigung. Sie scheint ihm spontan himmlische Kräfte einzuhauchen, die er linear geradeaus ans Hinterrad sendet. Die Auswirkungen sind atemberaubend. Ich muss mich zurückhalten. Zu kostbar ist mein Führerschein. Zu arg fordert die Supermoto 990, zeigen zu können, was in ihr steckt. Ich kämpfe mit mir und gebe ab und zu etwas nach.
Das Terrain ist mit weiten Kurven gespickt. Schnelle Kurven, die ich am liebsten mit Supersportlern durchziehe. Die KTM gibt sich keine Blöße. Sie wirkt für ihre Fahrwerksgeometrie und für meine aufrechte Sitzposition immer noch relativ ruhig. Wohlgemerkt – die Supermoto 990 brilliert eigentlich auf kleinen Sträßlein mit engen Kurvenradien, wozu sie beste Handlingseigenschaften mitbringt. Daher verwundert mich die Ruhe, die sie in schnell gefahrenen Kurven aufzeigt.

Die Straßen werden welliger, die Beläge geflickter. Hier ist sie zu Hause. Hier zeigt sie ihre wahren Stärken. Schon die langen Federwege von v/h 200/210 mm geben mir das Gefühl von Komfort. Jedoch wirkt das voll einstellbare WP-Fahrwerk nicht sänftenähnlich rückmeldungslos wie bei bayuwarischen GS- oder HP2-Modellen, sondern sportlich klar und dennoch bequem. Ich spüre, wie die SuMo den Belag förmlich abtastet, ohne dabei leiden zu müssen. Genial!

Das hintere Federbein habe ich in der Federvorspannung auf mein Gewicht angepasst, ebenso die Zugstufen vorne und hinten. So passt die Einstellung perfekt für die Genussausfahrt, aber auch für den scharfen Ritt.
Die KTM behält auch auf übelsten Streckenabschnitten bei engagiertem Tempo ihre vorgegebene Spur. Wie auf Schienen lässt sie sich ums Eck taxieren. Der Schräglagenwinkel scheint keine Auswirkung auf ihre Linientreue zu haben. Sicher auch mit ein Verdienst der serienmäßig verbauten Pirelli Scorpion Sync in gängiger 120/180er Straßendimensionierung. Sie liefern sicheren Grip bis in atemberaubende Schräglagen. Die Schräglagenfreiheit der KTM wirkt uneingegrenzt.

Wieder bin ich unterwegs. Diesmal mit einigen Bekannten. Wir haben uns für meine Teststreckenrunde nach Eichstätt verabredet. Damit es zusammenpasst, haben die Jungs eine 950er KTM Supermoto dabei, eine 690er KTM SM und eine getunte 1200er GS von BMW. Mich interessiert vor allem der Vergleich der beiden V2-Supermotos.

Auf Strecke geben sich beide fahrwerkstechnisch kaum etwas. Die 950er wirkt vorne etwas weicher. Die Motoren unterscheiden sich im unteren Drehzahlbereich auch nicht viel. Die 990er Supermoto fährt hier keinen Vorteil für sich heraus. Den erringt sie in den oberen Drehzahlen. Hier wirken die 20 PS Mehrleistung. Nicht, dass die 950er an Leistungsarmut leidet, aber die 990er Einspritz-SuMo zeigt deutlich stärkere Muskeln mit einer Drehzahlgeilheit, dass ich zu oft versucht bin, mit ultimativem Grinsfaktor in diesem Leistungsbereich unterwegs zu sein. Und so werden Tankstellenwärter schnell gute Freunde. 8,5 Liter saugt der V2 bei solch antitouristischer Fahrweise vollmundig aus dem Kunststofffass, manchmal auch etwas mehr (wenn ich mich gar nicht mehr beherrschen kann … ). Beachtlich empfinde ich jedoch, dass das auch in der Superduke 990 verbaute Aggregat vor 3 Jahren etwas durstiger war im Test – deutliche Anzeichen für andauernde Optimierungarbeit in Mattighofen.
Klar alltagstauglicher empfinde ich die 950er Supermoto. Sie hängt nicht so überdirekt und nervös am Gas wie der Einspritzer – ein deutliches Plus auf Tour oder bei gemächlichen Ausfahrten.

Fahrwerkstechnisch bietet die KTM 990 Supermoto eine ideale Abstimmung für alle Gangarten. Grenzen scheint es keine zu geben. Und wenn ich sie doch mal darüber zwinge, bleibt alles im beherrschbaren Bereich.
Auf der Tour konnte auf kleinsten Sträßlein neben der 950er SM nur noch die 690er SM mithalten, wobei letztere im ganz engen Geläuf nochmals Vorteile für sich verbuchen konnte. Leichter, schmaler und – bei weniger Leistung konnte man einfach das Gas stehenlassen, wo man bei den großen SMs damit sehr vorsichtig umgehen musste. Die 1200er GS erwies sich letztlich im Vergleich als zu schwerfällig.

Die Bremsen der 990er Supermoto gehören zur absoluten Oberklasse. Je radial verbauter Bremszange verbeißen sich vorne 4 Bremsbeläge in mächtige 305er Scheiben. Dosierung und Bremskraft – beides ist in höchstem Maß vorhanden. Bremsfading tritt leicht nur bei richtig heißer Fahrweise auf. Dann brennt aber auch schon der Gummi.

Erwähnenswert auch die Hebeleien und Bedienelemente. Radiale Pumpen für Vorderbremse und Kupplung erlauben lineare Dosierbarkeit der Kraftübertragung. Beide sind butterweich bedienbar. Die Gänge lassen sich ebenso direkt und leicht einlegen. Nichts wirkt schwergängig. Nur die Spiegel geben manchmal mehr Ellenbogen als Rückwärtiges Preis. Und das von der Superduke 990 entliehene Instrumentarium lässt nur wenige Fragen offen. Am Vorderrad erfolgt die Luftdruckkontrolle über ein abgewinkeltes Ventil. Im Notfall kann der SM-Treiber mit dem äußerst umfangreichen Serien-Werkzeugsatz das halbe Motorrad zerlegen. Selbst an den Flaschenöffner hat man dabei gedacht.

Fazit:
Die KTM Supermoto 990 reiht als würdiger Nachfolger der 950er Version nahtlos in die „Ready-to-race“-Sportler ein. Als reinrassiges Straßensportgerät beherrscht sie alle Gangarten auf Asphalt. Der geniale 75°-V2 erweist sich dabei als ideale Basis für spaßbringende Kilometer. Das Fahrwerk und die Bremsen sind allen Auswüchsen fahrerischer Unvernunft gewachsen, fordert diese aufgrund des perfekten Zusammenspiels aller Komponenten sogar regelrecht heraus. Wohl dem, der sich auf diesem Motorrad immer im Griff hat …