KTM LC4 Duke II
Fahrbericht KTM LC4 Duke II
Stand: 27.06.2003
Text/Fotos: Ralf Kistner
1000 Stück in Titan-Silver, 555 Stück in Lime-Green. Das sind die offiziellen Produktionszahlen für die KTM Duke in der 2. Auflage. Es gibt eben nicht viel Adelige der herrschenden Klasse. Das ist so, das war schon immer so. Und immer waren sie diejenigen, vor denen man sich ehrfurchtsvoll verbeugte, die man neidisch beäugte, vor denen man furchtsam das Weite suchte, die gnadenlos nur ein Ziel verfolgten - zu herrschen über die Masse der Normalität. Kaum ein Motorrad verkörpert genannte Eigenschaften konkreter. Kaum ein Motorrad auf dem heutigen Markt wurde in sturer Geradlinigkeit dafür entwickelt, ausschließlich Spaß zu bringen.
Die Duke beherrbergt schonungslose LC 4 - Technik, womit zuerst natürlich der Motor gemeint ist. Jeder Cross- und Endurofahrer weiß von den agilen Eigenschaften des Eintopfes, der es wunderbar versteht, satt und sauber ab 3000 Umin für klaren Vortrieb zu sorgen. Jeder weiß, dass er unter dieser Drehzahlgrenze die Kette so heftig hin- und her zieht, dass der Fahrer dies nur als Ultimatum verstehen kann, dem Aggregat endlich mehr Kurbelumdrehungen zu gönnen, um nicht abgeworfen oder mit der Kette ausgepeitscht zu werden.
Ab 3000 Umin geht es dann aber richtig los. In den ersten beiden Gängen sorgte die Durchzugskraft regelmäßig für einen luftigen Spalt zwischen der Vorderradlauffläche und dem zu befahrenden Untergrund. Nicht, dass mir das unangenehm war. Nein. Im Gegenteil. Es machte durchweg Riesenspaß, immer wieder an der Rolle zu drehen und die Leichtigkeit zu spüren, mit der die Duke alles sofort in die Tat umsetzte, was ich ihr befahl. Kein Wunder, denn der Austro-Eintopf hat sich mit magersüchtigen 145 kg Trockengewicht auseinanderzusetzen. Irgendwann beim Fahren tauchte mir die Frage im Kopf auf, wer eigentlich wen beherrscht. Ich war mir nicht ganz schlüssig. Einerseits fühlte ich mich von der KTM in den Bann gezogen und konnte nicht anders, als mit Gas und Bremse die Grenzen des Bikes auszuloten bzw. zu überschreiten. Ich musste einfach tun, was zu tun war, denn ich spürte die Leidenschaft, die die Duke versprühte. Andererseits fiel es mir leicht, sie selbst zu beherrschen und ihr meinen Willen aufzuzwingen, denn die Konstrukteure in Mattighofen schufen ein äußerst stabiles und sicheres Fahrzeug, an das man sich nicht lange gewöhnen muss. Voraussetzung sind allerdings fest sitzende Plomben und konsequente Anspruchlosigkeit an den Sitzkomfort. Die Duke vibriert genauso gnadenlos, wie sie extravagant aussieht, obwohl ihr eine größere Ausgleichswelle implantiert wurde. 100 km/h im 5. Gang sind der Härtetest. Besser ist langsamer - oder noch besser, schneller zu fahren.
Die Duke hängt sauber am Gas. Der nun verwendete Mikuni-Vergaser (statt dem bisherigen Dell’Orto) läßt das Aggregat etwas weicher laufen. Die Mehrleistung im Vergleich zur alten Duke erreichte man durch einen modifizierten Luftfilterkasten und durch die auch optisch attraktiv edel wirkende Zweirohr-Auspuffanlange aus Edelstahl. Neben den alle Körperteile durchdringenden Vibrationen muss man sich mit einem schmalen und harten Sitzkissen auseinandersetzen. Meinen Allerwertesten bekam ich am Abend der Testtour, die mich über jedwede Art von verwinkelten Landstraßen führte, deutlich zu spüren. Ich bin nun mal ein verwöhnter Tourenfahrer. Das ist so. Aber ich nahm alles in Kauf für diesen Ritt, den mir die Fa. KDH in Dinkelsbühl spontan und problemlos ermöglichte.
Zur Duke selbst sei vermerkt, dass sie aus edlem Stoff bebastelt ist. Fahrwerksseitig wirkt der Einschleifenrahmen aus Stahl verwindungssteif. Da tut sich nichts mit Wackeln oder so. Die 43er WP-Upside-Down-Gabel läßt über ihre Stabilität keinen Zweifel aufkommen. Sie ist schluckfreudig und hält das Vorderrad satt am Boden, wenn nicht vorgenannte Aggregatskräfte losgelassen werden. Auch hinten wirkt ein WP-Federbein. Es führt die von Hand polierte Alu-Kastenschwinge sicher und z.T. schon fast komfortabel. Die Pirellis liegen schlauchlos in BBS-Felgen mit 6 zart anmutenden Y-Speichen. Ein Hochgenuss sind die Bremsen der Duke. Die 320er Einscheibenbremse vorne sollte eigentlich immer nur von 2 Fingern bedient werden. Fein in der Dosierung, bringt sie die Duke immer schnell und sicher zum Stehen, wobei das Heben des Hinterrades bei heftigeren Beißaktionen zum guten Ton gehört. Man zeigt, was man kann. Brembo macht es möglich. Der hintere Stopper passt in seiner Beißfreude zum vorderen, ohne dabei gefährlich zu wirken.
So, und nun noch ein paar Worte zum Fahrgefühl selbst: Die Duke ist ein edel gebauter Spaßmacher mit dem Zweck, in euphorisierender Art und Weise schnellst möglich den Hinterreifen abzurubbeln und das maximal mögliche zu probieren. Und das kann sehr viel sein, so wie sie gebaut ist. Man sollte nicht die Frage nach dem Nutzen eines solchen Bikes stellen, denn es gibt nur einen: Fun ohne Ende bei einfachster Bedienbarkeit. Sogar der E-Starter ist serienmäßig. Harte Jungs bekommen den Kickstarter logischerweise ohne Aufpreis mitgeliefert. Ich wollte auf der Duke immer nur mehr. Auch wenn sie meinen Hintern marterte, konnte ich kaum aufhören, auf ihr sinnlos in der Gegend herum zu heizen und dabei immer ein verwegenes Lächeln im Gesicht zu spüren mit dem Hintergedanken, dass es genug Untertanen geben muss, die es noch zu unterjochen gilt. Gleich einem mittelalterlichen Ritter fand ich auf der KTM, ohne eigenes Zutun, die entsprechende Kampf-Sitzposition, in der ich mich, unterstützt vom breiten Maguralenker, den Anforderungen des Landstraßenpflügens hingeben konnte. Sie verlangt trainierte Arme, möchte man ihr Spektrum an Möglichkeiten nutzen. Schließlich tauchte die Frage des Preises auf. Gute 16.280 DM sollte man übrig haben, um die Duke zu erstehen. Viele D-Mark, mögen sich viele denken. Viele D-Mark, die in Spaß und Präzision pur umgesetzt werden können.
Man muss ja nicht, aber man kann.