Honda CBR 600 F/S - Allroundtalent



Fahrbericht Honda CBR 600 F/S
Stand: 26.01.2002

Text/Fotos: Ralf Kistner

Es war 1987, als das Baby CBR 600 F bei Honda mit für damalige Verhältnisse auf dem Bikesektor ungewöhnlichen Plastikverschalung unter der Typbezeichnung PC 19 geboren wurde. 85 PS sicherten ihr im 600er Segment die Spitzenposition zu.
Seitdem sind 14 Jahre vergangen in denen Honda sich nicht auf dem Erfolg ausruhte, sondern beständig an der CBR weiterentwickelte und aktuell die 6.Generation CBR 600F vorstellt.

Die CBR war bekanntermaßen seit ihrer Urahnin ein Sportmotorrad mit sehr guten Alltagseigenschaften, so dass sie sich zum Zigarettenholen wie für den Sporteinsatz auf Rundkursen gleichermaßen eignete. Honda schreibt mit der neuen CBR 600 genau diese Tradition fort.

Was wurde verändert?
Auf den ersten Blick fällt auf, dass nun auch die CBR den bösen Blick bekommen hat, den sicherlich auch der Fahrer bekommt, wenn er diese Fahrmaschine in leistungstaugliche Drehzahlregionen um die 12000 Umin treibt. Aber dazu später.
Die beiden Multireflektorscheinwerfer bringen gute Lichtausbeute mit breit gestrecktem Lichtkegel im Abblendlicht, so dass Nachtfahrten mit einem Blindflug nichts mehr zu tun haben. Unter den Scheinwerfern finden sich zwei Lufteinlässe für das Sekundärluftsystem.
Der Rahmen wurde in seiner Geometrie beibehalten. Um den Steuerkopf und die Schwingenaufnahme erhielt die Allrounderin Verstärkungen.

Um das eh schon gute Handling zu verbessern verringerte man das Gewicht der Räder um satte 1,5 kg. Die Bremskolben verrichten nun im Alugewand ihre Arbeit.

Wichtigste Modifikationen wurden im Motorbereich vorgenommen. Die neue CBR kommt mit Einspritzanlage, d.h., einer 38mm-Saugrohreinspritzung und (nur für Deutschland) geregeltem Kat daher. Zeitgemäß, wie ich finde.

Die sportlichere Variante, die mit dem /S nach dem F, kann noch mit einigen weiteren Modifikationen aufweisen, um als Basisbike für den seriennahen Superbikesport dienen zu können. Auffällig zuerst die der SP-1 ähnelnde Optik. Aggessives Design auf der Plastikschale mit seidenmatt-schwarz lackierten Fahrwerksteilen. Das Sitzpolster ist geteilt und knapp, jedoch nicht unbequem. Optik macht jedoch noch kein Sportmotorrad. Also bekam die F/S keinen Hauptständer. Das Triebwerk wurde drehzahltauglicher gestaltet durch nun zwei Federn an den Einlassventilen. Eine weitere Reibscheibe implantierte man der Kupplung. Modifikation auch am Einlassnockenhub. Der Radstand wurde minimal verkürzt, Getriebeübersetzung geändert und das Kettenrad vergrößert. Zudem gab’s hochwertigere Schrauben für die Verkleidung.

Will man F/S fahren, legt man auf die Basisversion einfach 500.- DM drauf.

So, nun ist’s aber genug mit der trockenen Theorie. Schließlich ist das Bike zum Fahren da. Meine Testmaschine wurde mir freundlicherweise von der Fa. Kreiselmeyer in Feuchtwangen zur Verfügung gestellt.

Ich nehme auf dem knappen Sitzpölsterchen der S Platz und staune, dass ich auf der Maschine wirklich gut sitzen kann. Zwar ist alles stark zum Vorderrad orientiert, doch kann ich immer noch bequem aufrecht sitzen, ohne das Gefühl haben zu müssen, dass meine Handgelenke für die nächsten Stunden einer Marter ausgesetzt sein werden.

Vergeblich suche ich den Choke. Die CBR stellt sich ihre Drehzahlen wärmeabhängig selbst ein. Sie springt sofort an und läuft rund und seidig bei ca. 3000 Umin. Im Drehzahlmesser sehe ich per LCD die schon steigende Kühlflüssigkeitestemperatur angezeigt. Der erste Gang lässt sich mit kurzem Klack einlegen. Schnell noch den Bremshebel einstellen. Jetzt geht es los.

Die ersten Meter sind für mich wieder gewöhnungsbedürftig. Ich bin halt nun mal einen ruppigen Zweizylinder gewohnt, der aus dem Keller die Kohlen feuert. Genau das fehlt mir im ersten Moment, aber nur im ersten! Ich gewöhne mich schnell um und halte die CBR auf der Landstraße um die 6000 Umin. Sie beginnt kräftig nach vorne zu drücken. Der Blick auf den Drehzahlmesser bestätigt, dass der rote Bereich bei 14200 Umin beginnt. Da ist schon der erste LKW an einer Steigung. ich schalte in den 5. runter, gebe Gas. Es reicht so noch nicht. Ich schalte noch zwei Mal runter. Im dritten komme ich in die Drehzahlregion, wo die Kohlen schon mächtig glühen. Aber es ist es auch noch nicht, was ich erwartet habe. Noch ein Klick nach unten. Ich komme gut über die 9000 Umin. Jetzt geht’s los. Die CBR beginnt zu singen und feuert nun ihre Kohlen in einer Stichflamme ab. Mit leicht gehobenem Vorderrad stürme ich am LKW nach vorne. Die CBR schreit vor Freude und drückt uns vehement nach vorne. Der LKW ist schon längst nicht mehr zu sehen. Ich schalte mich hoch in den 6. Gang und lasse mich wieder auf STVO-gemäße Kaemhas runterbremsen.

Hey, das hat richtig Spaß gemacht. Immer wieder muss ich das ausprobieren. An meiner Hausstrecke lasse ich die Geschmeidige dann kurz mal richtig Rock’n’Roll tanzen. Oder war es Techno? Es ist im Nachhinein schwer zu klassifizieren. Es sind jedenfalls tausende von Beats in der Minute.
Sauber, wie die CBR ruckfrei das Gas annimmt. Lastwechsel kennt sie nicht. Ebenso ist ihr lästiges Konstantfahrruckeln total fremd.

Das Fahrwerk der CBR kann nun auf der Hausstrecke zeigen, was in ihm steckt. Ich probiere alles aus, was die Maschine aus der Ruhe bringen könnte. Ich fahre in Schräglage und bremse vorne. Ein leichtes Aufstellmoment verlangt nach Linienkorrektur, die jedoch wirklich gering ausfällt.
Ich spiele in weiten schnellen Kurven in satter Schräglage mit dem Gas. Nichts.
Ich hetze die CBR über kleine wellige Straßen mit engen Kurvenkombinationen. Nichts. Die wackelt nicht, die verwindet sich nicht. Da ist immer alles stabil, was natürlich ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Schließlich fahre ich öfter mit ihr mit ca. 120 Sachen in einer sehr engen Linkskurve über einen deftigen Teerabsatz, der schon einige Maschinen ganz schön nervös werden ließ. Die CBR donnert drüber. Uns versetzt es etwas nach außen. Das war es dann auch schon. Keine Unruhe, keine Anzeichen, dass die CBR sich aufschaukeln möchte.

Honda ist da wirklich wieder mal ein richtiges Tausendsassa-Fahrwerk gelungen. Obwohl nun die F/S die sportliche Variante der CBR 600 ist, könnte ich als verwöhnter Tourerfahrer mir durchaus vorstellen, mit der Maschine auf lange Ausfahrt zu gehen. Die Sitzposition passt, die Knie sind nicht übermäßig gebeugt, die Handgelenke bleiben stets im schmerzfreien Bereich. Dazu das Fahrwerk, das fein ansprechend vieles an kleinen Unebenheiten wegfiltert.

Die Bremsen der CBR können sich ebenfalls sehen lassen. Fein dosierbar packen sie auch im heißen Zustand satt und, wenn notwendig, hinterradentlastend brachial zu. Mehr als zwei Finger müssen vorne dabei nicht zum Einsatz kommen. Die Druckpunkte sind vorne wie hinten gut wahrzunehmen.

Die CBR schluckt bei meinem Test zwischen 7 und 9,5 Liter. Nicht wenig für ein Motorrad, wie ich finde. Ich muss dazu aber erwähnen, dass der Verbrauch unter Testbedingungen zustande kam. Unter Normalbedingungen kann die CBR sicher auch um die 6 Liter oder drunter gefahren werden.

Fazit:
Den Hondamachern ist mit der neuen CBR 600F/S wieder mal ein Meisterstück gelungen. Überwältigend, wie die Erbauer es schafften, echte Allroundeigenschaften mit Supersportlichkeit zu verbinden.