BMW HP2 Megamoto - Mega-Kuh



Fahrbericht BMW HP2 Megamoto

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, Gitte Schöllhorn


Als ich im Herbst 2005 der BMW HP2 Enduro auf die Zähne fühlen konnte, wünschte ich mir ein Straßenmotorrad mit ähnlichen Genen. Ein Test der gleichen Maschine mit Straßenradsatz bestätigte mein Gefühl, dass in dieser Enduro auch ein interessantes Straßenmotorrad stecken würde.

Inzwischen hat BMW eine vollständige HP2-Serie auf den Markt geworfen. Darunter die von mir erwartete HP2 Megamoto. Sie schlägt in die Sparte der potenten Straßenfeger mit Supermotoambitionen.

Der erste Blick zeigt die eindeutige Verwandtschaft der Megamoto zur Enduro. Es ist der gleiche filigrane Rohrrahmen in Blau-Metallic-Lackierung. Sie wirkt bullig trotz gerade mal 202 kg Fahrgewicht. Man sparte nicht an Carbonteilen. Ansonsten besteht das Motorrad optisch vor allem aus dem riesig wirkenden Boxer und einem hochbeinigen Fahrgestell. Immerhin muss man 89 cm Sitzhöhe erklimmen, um sich dann in sportlich-aufrechter Haltung und mit kampfbetonter Miene einen Ausritt zu gönnen. Die Sitzposition wirkt fahraktiv. Der breite konifizierte Lenker vermittelt eine sehr gute Kontrolle. Der Kniewinkel ist sehr moderat, das Sitzpolster straff.

Bei näherem Hinsehen fällt das voll einstellbare Öhlins-Federbein auf. Vorne verspricht eine lang wirkende Upside-Down-Gabel präzise Radführung. Und die Brembo-Doppelscheiben-anlage verheißt satte Tempovernichtung.

Theorie, alles Theorie. Die Landstraße soll zeigen, was dran ist am Namen "Megamoto". Schließlich gibt es auch Widersprüchlichkeiten. So ist es schwer vorstellbar, dass man mit einem Radstand von 1610 mm leichtes Handling erwarten kann.

Beim Starten des Boxers weisen seine harten Vibrationen auf die im Vergleich zum "regulären" 1200er Boxer entnommenen Ausgleichswellen hin. Der Sound bleibt bmw-typisch zurückhaltend. Dieser riesige Akrapovic-Endtopf verschlingt so ziemlich alles, was man einen Sound nennen kann - leider. Zudem wirkt er nicht ins Gesamtbild integriert, sondern angebaut. Es gibt glücklicherweise im Zubehör

Möglichkeiten, die Optik noch etwas zu verfeinern und den Klang passender zu gestalten. Aber das bleibt Geschmackssache. Schließlich muss dafür noch Geld übrig sein, denn für Megamoto-Spaß muss man dem freundlichen BMW-Händler stattliche 17.500 .- Euro über die Ladentheke schieben.

Ich bewege die Megamoto in Richtung meiner bekannten Teststrecken. Auf glattem Asphalt kann ich die Maschine fast einhändig fahren, wäre da nicht der Wind, dem ich ungeschützt ausgesetzt bin. Endlich erreiche ich die richtig kurvigen Passagen, wo es um Handling und Beschleunigung, aber auch um Fahrwerksstabilität und Bremsleistung geht. Zuerst fällt mir auf, dass ich mit dieser Maschine 10 - 20 km/h mehr in die Kurve nehmen kann als mit anderen Testmaschinen. Das Fahrwerk in Verbindung mit den verbauten Michelin Pilot Power "B" als Erstausrüsterreifen verrichten vorbildliche Arbeit. Auf Passagen mit welligem geflicktem Straßenbelag wirkt die Gabel in satten Schräglagen etwas unruhig stuckernd, ohne jedoch die Linie zu verlieren. Sie gibt viel der Wellen an den Lenker weiter, was zu Unruhe führen kann. Ansonsten schluckt das Fahrwerk komfortabel straff mit seinen je 160 mm Federweg sehr viel einfach weg.

Die höheren Kurvengeschwindigkeiten rühren von einer nicht enden wollenden Schräglagenfreiheit. Selbst bei ausgenutzter Lauffläche am Vorderreifen gibt es noch keinen Bodenkontakt mit abstehenden Teilen. Das macht Laune und vermittelt ein Gefühl von ungeahnten Möglichkeiten, verleitet zu Übermut bis zum Erreichen der Haftungsgrenze in Schräglagen, die der Michelin Pilot Power jedoch rechtzeitig ankündigt.


Der Motor liefert auf breitem Drehzahlband Leistung satt. Ab 2000 U/min geht er bereits direkt mit kräftigem Vorschub zur Sache. Und wie alle 1200er Boxer scheint er ab 5800 U/min einen Nachbrenner zu zünden. Dabei dreht er spritzig und feurig bis an den Drehzahlbegrenzer, sodass der Hinterreifen in Schräglagen schon mal driftendes Eigenleben entwickelt. Dieser Boxer mit seinen 113 PS bei 7500 U/min, mit seinem maximalen Drehmoment von 115 NM bei 6000 U/min, wird mit dem Leergewicht + Fahrer spielerisch fertig. Er hängt direkt am Gas und ruft immer wieder nach Auslauf. Ich habe den Eindruck, dass er sich über 6000 U/min am wohlsten fühlt. Das, was er hier an Vorschub und Drehfreude abliefert, gehört eindeutig in die Sportecke. Und so ist es auch kein Wunder, dass bei meinen Fahrten so mancher verschalte Sportler in die beiden Rohre des bulligen Endtopfes schauen musste.

Das Gesamtkonzept eines Motorrades ist immer entscheidend für die Art, wie ich es fahren kann. Wenn ich einen bulligen Motor habe, aber ein nicht dazu passendes Fahrwerk, dann bin ich unterwegs wie damals auf einer Kawa Z 900, die ihre Fahrer bei Ausnutzung der damals schon hohen Motorleistung mit kräftigem Pendeln und sonstiger Unarten überraschte. Und das Bremsen mit den frühstückstellergroßen Scheiben war auch kein echter Spaß. Glücklicherweise sind heute Motorräder meist so gebaut, dass alles aufeinander abgestimmt ist. Fahrwerk, Rahmen, Bremsen und Motor scheinen an der Megamoto eine echte Einheit zu sein. Denn wenn ich den Motor bis zum Abwinken laufen lasse und die Maschine in Kurven werfen muss, stellt das kein Problem dar. Ich hab das Gefühl, dass die Megamoto nicht aus der Ruhe zu bringen ist. Auch wenn sie sich beim Herausbeschleunigen gerne in die hintere Feder stemmt, bleibt sie spurstabil, behält sie ihr leichtes Handling. Wechselkombinationen erfordern lediglich bei geöffnetem Gashahn entschiedenen Nachdruck am breiten Lenker, den die Maschine aber sofort mit der gewünschten Schräglage beantwortet.

So viel Vorschub erfordert nachhaltige Tempovernichtung. Die beiden 320er Scheiben bieten den kräftigen Vierkolbensätteln von Brembo genügend Schleiffläche, um die Megamoto innerhalb kürzester Strecken zum Stand zu bringen. Die Verbindung von Radialpumpe, Stahlflexleitungen und den Brembosätteln funktioniert vorbildlich. Feine Dosierung, kräftige Verzögerung und Standfestigkeit bei sportlichem Betrieb sind ideale Voraussetzungen für flotte Linien auf dem Asphalt.

Wo viel für, gibt es auch wider. So empfinde ich die kardanbedingten Lastwechsel an der Maschine manchmal störend. Es fühlt sich manchmal an wie Spiel im Antriebsstrang. Und der Kleinsttank mit seinen 13 Litern Fassungsvermögen fordert spätestens nach 180 km zum Nachfüllen auf - mit Super Plus, wenn ich die volle Motorleistung haben möchte. Dank Klopfsensor kann auch Super bleifrei getankt werden. Nur fehlt dann vor allem untenrum etwas von dem fulminanten Schub, der diese Maschine ausmacht. Wer den Schub nicht nutzt, kann bei Super bleifrei bleiben. Vielleicht gibt es ja noch eine Möglichkeit für BMW, die Maschinen so zu konstruieren, dass sie den vollen Schub auch bei Super bleifrei bringen.

Positiv überrascht mich der Verbrauch. Obwohl ich den Boxer zumeist stark fordere und mir ein Maximum an Spaß gönne, verhält er sich in Sachen Trinkfreude zurückhaltend. Maximal 7,5 Liter zog er sich bei sportlichster Fahrweise unter Ausnutzung des Leistungsbereiches über 6000 U/min ein, um die 5,8 Liter im Touringbetrieb. Für einen Boxer überraschend niedrige Werte.

"Und das Getriebe?" werden sich viele fragen. Schließlich bieten BMW-Getriebe nicht selten Anlass zur Kritik. An der Megamoto nicht. Relativ kurze Schaltwege und knackig direktes Schalten ohne lautstarkes "Klong" unterstützen die engagierte Ausfahrt auf der Landstraße.

Fazit:
Mit der BMW HP2 Megamoto ist es den Münchnern gelungen, ein straßentaugliches Sportgerät mit leichten GS-Genen und eindeutigen HP2-Genen auf die Räder zu stellen. Das Gesamtkonzept wirkt sehr stimmig. Die Ausrichtung ist klar auf sportliche Einsätze auf Asphalt gelegt. Hier liefert die Megamoto eine sehr überzeugende Vorstellung als nahezu perfekte Fahrmaschine ab. Ein richtiges Trainingsgerät bei offenem Gashahn. Schließlich muss man sich schon richtig festhalten, wenn man die prickelnde Leistungsentfaltung nutzt und sich dabei vollem Winddruck ausgesetzt sieht. Allerdings auch ein kostspieliges Trainingsgerät, was - wie bei der HP2 Enduro - dazu führen wird, dass man ihm nicht häufig begegnen wird.