Honda CBR 1100 XX
Fahrbericht Honda CBR 1100 XX Super Blackbird
Stand: August 2003
Text/Fotos: Ralf Kistner
Es ist immer die gleiche Rechnung: wer entspannt und zügig von A nach B kommen möchte, braucht ein Verkehrsmittel, auf das man sich in allen Situationen verlassen kann und das einem nicht auf der Tour selbst schon alle Energie nimmt. Das Verkehrsmittel sollte schnell sein, um für die Fahrt nicht zu viel Zeit zu verplempern. Es sollte bequem sein, dass man am Ziel frisch ankommt. Es sollte genügend Sicherheit bieten, damit man überhaupt ankommt. Und wenn dessen Nutzung letztlich auch noch Spaß macht, ist das Ideal gefunden worden.
Honda warf 1997 die Doppel-X mit 164 PS als schnellstes Serienbike auf den Markt. Zwar schrumpfte die Leistung seit Einsatz einer Einspritzanlage auf 152 PS zusammen, doch verlor die Honda CBR 1100 XX Super Blackbird nichts von ihren bis dato von vielen XX-Fahrern geschätzten Allroundeigenschaften. So konnte es ihr auch nichts anhaben, als die Hayabusa oder ZX 12 R erschien, die ihr in Punkto Leistung lässig das Rücklicht zeigen können. In Vergleichstests hat sie ihre Qualitäten stets mit erstklassigen Plazierungen unter Beweis gestellt. Mich interessiert, inwieweit die etwas in die Jahre gekommene XX mit dem mittlerweile hochtechnisierten Niveau aktueller Modelle mithalten kann.
Eine Double-X wurde mir dankenswerterweise von der Fa. bike4all in Weißenburg zu Testzwecken zur Verfügung gestellt, wo sie nebst der aktuellen Honda-Modellpallette besichtigt und Probe gefahren werden kann.
Der Motor surrt turbinenartig los, als ich ihn starte. Kein Choke, sondern die von Honda entwickelte Kraftstoffeinspritzung namens PGM-FI sorgt für richtiges Gemisch in allen Drehzahlen und bei allen Temperaturen. Direkt gleich die Gasannahme. Der erste Gang flutscht richtiggehend in seine Position mit kurzem Klacken.
Die Informationszentrale lässt keinen Wunsch offen. Mittig sitzt der analoge Drehzahlmesser, rechts davon ein großer digitaler Tacho. Links befindet sich ein Infopanel mit Gesamtkilometern, zwei Tripzählern, Wassertemperatur, Tankanzeige und Zeituhr. Alles ist deutlich und leicht ablesbar.
Die XX surrt vor sich hin. Kurze Gasstöße lassen einen ganzen Stall voller bewegungssüchtiger Rennpferde vermuten. Gewaltig schon das bei Standgas vorhandene Anfahrdrehmoment. Ich brauche kaum Gas geben, um die Maschine auf Tempo zu bringen. Schnell in den sechsten Gang geschaltet und dann mitschwimmen auf der B 2. Bei Treuchtlingen biege ich ins Schambachtal ab. Es geht Richtung Suffersheim. Einige Links-Rechts-Kombinationen kann ich ohne runterschalten und abbremsen einfach durchwedeln, wobei ich die CBR leicht am Gas halte. Sie braucht lediglich etwas Zug am Lenker, um auf Linie gebracht zu werden.
Bei der nächsten Kombination, die mit etwas weiteren Kurvenradien aufwartet, gase ich etwas mehr an. Die XX zieht unvermittelt an, lässt sich dabei aber äußerst fein dosieren. Auch das klappt wunderbar und ohne zusätzlichem Kraft- bzw. Adrenalinaufwand. Ich bin begeistert, denn schließlich bewege ich hier knapp 260 kg Leergewicht.
Dann eine längere Gerade. Ich gestehe, dass ich kurz richtig Stoff gebe - immer noch im 6. Gang. Und der schwarze Supervogel geht in den Sturzflug über. Der digitale Tacho scheint mit dem Nachzählen der km/h nicht nachzukommen. Die Landschaft fliegt vorbei bis zur nächsten weiten Linkskurve, die ich wieder zahm angehe aufgrund ihrer Unübersichtlichkeit.
Hinter Suffersheim nochmal wunderbare Kurven mit wunderbarem Belag. Hier probiere ich es mit dem dritten Gang, der bis zum Ende des Tals drin bleibt. Da ist dann schon gehörig was los beim Angasen. Ohne spürbares Leistungsloch drückt die XX nach vorne und lässt Erinnerungen an ihren Namensgeber, dem Mach 3-Jet Lockheed SR-71, wach werden. Es ist nicht so, dass die Leistung irgendwann mal so richtig einsetzt. Nein, sie ist einfach immer da und steigert sich sozusagen stufenlos ab 6000 Umin nochmal bis hin an den Begrenzer bei 11500 Umin ohne mich mit Vibrationen zu torpedieren. Zwei Ausgleichswellen schlucken alles weg und geben diesem Triebwerk eine traumhafte Laufruhe. Da ist die Leistung dann irgendwann auch kein Thema mehr, über das man nachdenken oder reden muss. Sie ist einfach da und stets unspektakulär abrufbar.
Auf meiner Hausstrecke geht es dann richtig zur Sache. Der aufgezogene Dunlop Sportmax kommt mächtig ins Schwitzen und beginnt beim Herausbeschleunigen schwarze Linien zu ziehen, obwohl ich "nur" im dritten bei 90 km/h, aber kurz vor dem Rastenkratzen, das Gas zum herausbeschleunigen aufziehe. Ich denke, dass Bridgestone BT 010 für Extremfahrten die bessere Wahl darstellt. Ansonsten harmoniert er wunderbar mit der XX und unterstreicht das scheinbar federleichte Handling.
Auf der Wheelie's-Tour im Juli 03 kann die CBR auf den kleinen welligen Landsträßchen auf der Schwäbischen Alb meine Sozia und mich über ihre Komfortqualitäten überzeugen. Die Sitzposition ist hondatypisch ergonomisch gelungen. Sie sitzt wie angegossen für kleine wie große Fahrer. Der voluminöse Tank fordert jedoch etwas lange Arme. Die Rasten sind auf beiden Plätzen in bequemer Höhe positioniert. Und das so wichtige Polster macht auch nach 200 km nicht schlapp.
Angenehm der Windschutz, der ohne Verwirbelungen am Helm das Gröbste weghält. Über 200 km/h muss man sich etwas in gebückte Büßerhaltung begeben.
Die feinen Fahrbahnunebenheiten werden von der Double-X weitgehend herausgefiltert. Grobe gibt sie gedämpft ans verlängerte Rückrat weiter. Auf der Heimfahrt von der Tour haben wir es wg. eines Termins etwas eilig, so dass diese Landsträßchen zügiger überflogen werden müssen. Auch hier mit Sozia überzeugt die CBR mit leichtem Handling und überragender Fahrstabilität. Bodenwellen meldet sich zwar weiter, doch lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Das schafft Vertrauen ins Fahrwerk und letztlich in die Maschine. Ich habe das Gefühl, weit ab von Stabilitätsgrenzen und Fahrwerksunruhen unterwegs zu sein. Dieser Kompromiss zwischen Komfort und Sport ist in der XX exzellent umgesetzt worden, so dass sie der Bezeichnung "Supersporttourer" für meine Begriffe derzeit am Nähesten kommt.
Die DUAL-CBS-Bremsanlage kann sich auch über jeden Zweifel erhaben zeigen. Der Druckpunkt muss immer wieder mal ertastet werden, jedoch schafft es kein Problem, die Anlage sauber zu dosieren und bei Bedarf ankermäßige Verzögerungswerte herbeizuführen. Lediglich bei sportlicher Gangart im richtig heißen Zustand lässt die Bremsleistung durch Fading nach.
An der Tankstelle bin ich überrascht, wie sparsam die XX mit dem teuren Brennstoff haushält. Mit 6,5 - 8 Litern können Tankwarte bei dem 23 Liter fassenden Tank nicht zu Dauerfreunden werden. Bei Tourtempo kann die 6 Liter-Marke unterschritten werden. Lasse ich die XX fliegen, schluckt sie auch schon mal an die 9 Liter Normal bleifrei. Dies sei ihr aber verziehen, denn schließlich lässt sie ihre kaum spürbaren knapp 260 kg dann auch so richtig im Tiefflug durch die Landschaft pfeilen und mir reichlich Spaß und Grinsen im Gesicht aufkommen.
Fazit:
Die Double-X ist seit 1997 reifer geworden. Zeitgemäß mit SLS und geregeltem Kat gehört sie nicht zu den Umweltsündern. Sie wirkt unspektakulär und gediegen und kann dennoch so richtig böse werden. Ihr Gesamtkonzept lässt viele Spielarten des Motorradfahrens zu, ihre Verarbeitungsqualität und Ausstattung lassen kaum Wünsche offen. Draufsetzen, sich wohl fühlen und zum nächsten Tankstopp nach 300 km wieder absteigen, um sich auf die nächste Etappe zu freuen, das könnte den typischen XX-Eigner beschreiben. Man bewegt sie mit einem Gefühl der Gelassenheit und Souveränität, die sie selbst auszustrahlen vermag, wenn man alleine ihr Triebwerk startet.
Und es bleibt abzuwarten, ob und wann in der Honda-Modellpallette eine komplett überarbeitete Nachfolgerin bereit stehen wird, um in dem Supersporttourersegment neue Zeichen zu setzen.